Somewhere (2010, Sofia Coppola)
Wie schon in Lost in Translation, durchforscht Sofia Coppola in Somewhere abermals das Dasein einer prominenten in der Öffentlichkeit stehenden Persönlichkeit. Auch in diesem Film findet sie hinter der glamourösen Oberfläche eine Figur dessen Alltag von Isolation und Tristesse bestimmt ist.
Gefangen im Luxus
Mitten im Niemandsland befinden wir uns in der ersten Szene von Somewhere. Ein Ferrari dreht seine einsamen Runden. Ringsherum befindet sich nichts weiter als eine leere Fläche in Form von Wüste. Der Fahrer des Wagens ist der Hollywood-Star Johnny Marco.
Gleich in dieser ersten Szene macht sich eine belastende Monotonie breit. An der Oberfläche sieht es kurz schön und cool aus, wenn Marco seine Runden mit seinem Luxusschlitten dreht. Doch der erste Eindruck verschwindet schnell und mündet in Langeweile. Dieser temporär schön anzusehende, aber nicht erfüllende, verblassende Luxus, zieht sich quer durch den Film bis ins allerletzte Detail. Selbst zwei halbnackte Frauen die sich an Stripstangen rekeln, verkommen durch Coppola's provozierend langen Einstellungen zur Eintönigkeit. Sie langweilen nicht nur Marco, sondern auch uns Zusehern. Wir werden Teil dieses Lebens ohne Sinn und Zweck, ohne Herausforderungen und Ziele. Der ganze Luxus kann das nicht nur nicht überschatten, sonder er ist Teil dieses tristen Daseins und trägt immer weiter dazu bei. Im Grunde genommen hätte Marco auch die ganze Zeit über in dieser Gipsmaske verharren können, die er für ne Zeit tragen musste. Einen großen Unterschied hätte es für ihn nicht gemacht; so scheint es.
Johnny Marco
Der Hollywoodstar steckt so tief in dieser Endlosschleife von Luxus und Personen-Kult, dass für ihn kaum mehr ein Platz bleibt wirklich Mensch zu sein. Als er in Italien einen Filmpreis bekommt, wird gar nicht erst auf seine Dankesrede gewartet. Johnny Marco ist nichts weiter als eine Marktfigur. Der Mensch hinter der Marke ist wirtschaftlich, wie auch privat völlig uninteressant. Es überrascht daher nicht, dass in Marco's Leben kaum wirkliche Interaktionen mit anderen Menschen stattfinden. Auch mit seiner Tochter gibt es kaum mal eine ernst zu nehmende Diskussion. Wenn mal so etwas ähnliches wie ein Gespräch zu Stande kommt, geht es stets um irgendetwas banales, unterdessen man sich gleichzeitig mit irgendetwas anderem beschäftigt(Guitar Hero, Fernsehen, Smartphone etc.).
Eine der so vielen Sinnbilder, die dieses nicht vorhandene praktische Mensch sein ausdrücken, ist die Szene im Hallenbad. Marco entspannt sich im kleinen Whirlpool, währenddessen seine Tochter im großen Becken hin und her schwimmt und ihm alles mögliche von ihren zukünftigen Plänen erzählt. Marco steht still, derweil sich gewöhnliche Menschen hin und her bewegen, Erfahrungen sammeln, neue Herausforderungen bewältigen, etc.. Marco hat kein eigenes Ich, keine Persönlichkeit und auch keine wirklichen Qualitäten. Er kann nichts außer stillstehen und ein Star sein.
Die Erlösung
Nach dem Aufenthalt in Italien scheint sich jedoch bei Marco eine immer stärkeres Bewusstsein zu entwickeln. Er will nicht mehr Teil dieser materiellen Endlosschleife sein. Als er Cleo - vor der Abreise ins Ferienlager - das letzte mal sieht, versucht er sich erstmalig mit seiner Tochter wirklich auseinander zusetzen, indem er ihr etwas tief persönliches sagen will. Er scheint jedoch für diesen Schritt noch nicht wirklich bereit zu sein, denn er wählt einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt. "Es tut mir leid, dass ich nie da war" ruft er seiner Tochter zu, unterdessen neben ihm ein Hubschrauber startet. Obwohl sie akustisch nichts von dem verstanden hat, drückt dieses Verhalten einen endgültigen Sinneswandel in Marco aus. Nachdem er Cleo's Mutter anruft und sich entschuldigt, verlässt er die luxuriöse Endlosschleife wortwörtlich, indem er aufhört Runden zu drehen und seinen Ferrari hinter sich lässt. Mit einem lächelnden Marco endet der Film.
Resümee
Somewhere fängt das Ausbleiben einer Identität, sowie das "gefangen sein" in der Existenz eines Stars durchdacht und mit viel Liebe zum Detail auf. Die penetrant langen Einstellung, die man immer wieder vorgesetzt bekommt sind dabei eine Notwendigkeit, um durch diese Hülle des Glanz und Glamours stoßen zu können. Nur so ist man dann in der Lage das "echte" Leben, welches sich dahinter verbirgt, zu fixieren. Würde man darauf verzichten, hätte man nur diese kurzen Eindrücke wie in Lifestyle-Magazinen, wo der ganze Glamour keine Chance hat abzuklingen.
Trotz der Stärken des Films, sollte man sich aber vielleicht die Frage stellen, ob Coppola mit ihrer doch sehr eindimensionalen pessimistischen Darstellung nicht ein wenig übers Ziel hinaus schießt. Meiner Ansicht nach verzerrt man das Star-Dasein zu sehr, indem man keine Relativierung einzelner Situationen zulässt. Es ist schon klar, dass es viele Hollywood-Stars und generell Prominente geben wird, die ein ziemlich unerfülltes, langweiliges Leben führen werden. Die deprimierende, einseitige Sicht dieser Endlosschleife des Hollywood-Daseins, welche im Film durchgehend illustriert wird, ist für meinen Geschmack aber dann doch zu plakativ. Man ist stehts bemüht Marco's Situation so desolat wie nur möglich darzustellen. Lichtblicke im Leben des Multimillionärs - sein es nur kurze Momente des Vergnügens - lässt der Film in keinster Form zu.
Mit dieser sturen, eindimensionalen nach Plan verlaufenden Veranschaulichung einer prominenten Existenz, schneidet man sich ins eigene Fleisch. Somewhere wird damit nicht nur zum Wohlfühlfilm für den bescheidenen Durchschnittsbürger, sondern dient auch als eine Art Selbstbeweihräucherung der Stars und Sternchen dieser Welt. Seine intendierte schmerzhafte Einwirkung auf den Zuseher geht komplett verloren, weil man zu sehr darum bemüht ist genau diese zu erzeugen. Man opfert durch das strickte konzeptuelle Vorgehen das Eigenleben des Protagonisten und eine damit verbundene spürbare Wahrhaftigkeit. Das ist auch der Grund, warum der Film - obgleich seines ausgeklügelten Detailreichtums - nicht die gewünschten Spuren beim Zuseher hinterlassen kann. Als solcher stellt man sich dann nach der letzten Szene - in der Marco seinen reizlosen, luxuriösen Lebensstil hinter sich lässt - die berechtigte Frage: Und nun? Marco wendet sich vom Luxus ab, und alles ist gut?
Das scheint doch ein bisschen zu einfach. Zudem macht es denn Anschein, als würde sich der Film mit diesem Ende ein bisschen selbst entlarven. Er bekommt die Quittung dafür, dass er keine Relativierungen einzelner Momente zuließ. Marco's Situation wurde uns durch und durch so deprimierend vermittelt, dass dieses Ende nun zu mühelos und optimistisch scheint. Es offenbart sich noch einmal das große Manko: Coppola's Werk will unbedingt so weh tun, wie ein Film ala "Jeanne Dielman"(1975). Schade, denn Somewhere ist, vor allem aufgrund seines wohl überlegten Detailreichtums, eigentlich sehenswert.
16.04.2014